Wenn man mich fragen würde, was der Unterschied zwischen einem Saunagänger und einem Philosophen ist, würde ich antworten: der Bademantel. In der Sauna, diesem dampfenden Mikrokosmos der Menschheit, wird jeder zum Philosophen – oder zumindest glaubt er das. Der Schweiß scheint die Gedanken zu befreien, und so sitzen wir da, nackt und weise, und lösen die Probleme der Welt, während wir auf unsere Handtücher schwitzen.
An diesem besonderen Sonntag, während ich in meiner bevorzugten Ecke saß – ja, ich habe eine bevorzugte Ecke, und wehe dem, der es wagt, sie zu besetzen –, betrachtete ich meine Mit-Saunaphilosophen. Da war der Banker wieder, seine Stirn in Falten gelegt, nicht wegen der Hitze, sondern wegen der Börsenkurse. Neben ihm saß die Dame mit dem verlorenen Ehering, ihre Augen geschlossen, vielleicht in einem stillen Gebet oder einfach nur in der Hoffnung, dass der Dampf die Spuren vergangener Tränen auslöschen könnte.
Und dann, in der Mitte des Raumes, thronte Schwurbula. Ja, so nenne ich ihn, den Mann, dessen Reden so verwirrend sind, dass man denkt, er hätte seine Weisheiten direkt aus einem verschimmelten Glückskeks bezogen. Schwurbula ist ein regelmäßiger Besucher, ein Saunaguru der neuen Art. Sein echter Name ist mir unbekannt, und ehrlich gesagt, ist es vielleicht besser so.
„Das Problem mit der Gesellschaft heute“, begann Schwurbula, während er eine unnötig dramatische Pause machte, um einen Löffel Wasser auf die heißen Steine zu schütten, „ist, dass keiner mehr die Hitze ertragen kann.“
Der Banker nickte zustimmend, wahrscheinlich dachte er an die Hitze des Aktienmarktes, während die Dame mit dem Ehering nur seufzte, als hätte sie schon zu viel Hitze in ihrem Leben ertragen.
„Schauen Sie“, fuhr Schwurbula fort, seine Stimme erhoben, als wäre er ein Prophet in einer Wüste aus Dampf, „die Sauna ist wie das Leben. Es wird heiß, manchmal unerträglich heiß, aber wir bleiben sitzen, wir schwitzen, und irgendwann öffnen sich unsere Poren, und wir sind gereinigt.“
Ich konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken. Gereinigt, ja. Von all dem Sinn, den wir einmal hatten, vielleicht.
„Und wissen Sie, was das Schönste ist?“ Schwurbula sah sich um, seine Augen funkelten vor Saunaweisheit. „In der Sauna sind wir alle gleich. Nackt, schwitzend, ohne Masken. Der Banker, die traurige Dame, selbst der stille Herbert in der Ecke. Wir sind alle gleich in der Hitze, alle kämpfen wir mit unseren eigenen Dämonen.“
Ich zog eine Augenbraue hoch. Der stille Herbert, das war also meine Bezeichnung in diesem Kreis der Dampfphilosophen. Ich wollte protestieren, sagen, dass ich keine Dämonen habe, nur eine Vorliebe für ruhige Ecken, aber irgendwie hatte Schwurbula recht. Hier, in dieser dampfenden Kammer der Gleichheit, hatte jeder seine Geschichte, seine Narben, seine nicht ausgesprochenen Worte.
Der Banker seufzte, die Dame mit dem Ehering nickte, und ich, der stille Herbert, ich lächelte. Vielleicht war Schwurbula doch kein verwirrter Glückskeksphilosoph. Vielleicht war er einfach nur ein Spiegel, in dem wir unsere eigenen verschwitzten Wahrheiten sehen konnten.
Und so saßen wir da, in unserer dampfenden Kathedrale, schweigend, schwitzend, denkend. Philosophen in Handtüchern, auf der Suche nach Erleuchtung, oder zumindest nach einem kühlen Getränk nach dem Aufguss. Denn am Ende des Tages, wenn der letzte Dampf sich legt, sind wir alle nur Menschen, die versuchen, in der Hitze des Lebens nicht unterzugehen.
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